Rede von Herrn Dr. Dieter Marcos

Ausstellung Schmetterlingsgarten

Eröffnungsrede von Dr. Dieter Marcos (Direktor des Mittelrhein-Museums Koblenz) der Vernissage Ausstellung "Zwischen Himmel und Erde".

Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich beginnen mit drei Zitaten aus der Pressemeldung von Mana Binz zur heutigen Ausstellung: „Mühsam ist es, etwas herzustellen, was mühelos aussieht“ (Zitat Nr. 1) „Ich glaube daran, dass die Schöpfung niemals beendet ist“ (Zitat Nr. 2) und „Große Momente sind groß, weil sie kurz sind!“ (Zitat Nr. 3). Diese drei Sätze - aus dem Zusammenhang gerissen - haben zunächst wenig miteinander zu tun. Und doch: Sie haben eines gemeinsam, jeder von ihnen beinhaltet in sich einen Zwiespalt. Und es ist dieser Zwiespalt, diese „Dialektik“, wenn Sie so wollen, die das Schaffen von Mana Binz beherrscht.

Denn Mana Binz ist - und vielleicht wird sie damit im Moment nochnicht ganz einverstanden sein - dennoch Mana Binz ist ein zutiefst barocker Mensch. Als ich sie vor ca. 2 Jahren in Koblenz kennenlernte, stellte sie vor dem Koblenzer Mittelrhein-Museum gerade ihr „Artecelli“- Projekt aus: ein robuster Anhänger, darauf kantige, voluminöse Objekte in kraftvollen Farben. Und nun hier in Sayn? Engel - Falter - Flügelwesen! Größer kann der Unterschied kaum sein. Luftige, transparente, teilweise schwebende Objekte aus Glas in pastellhaften Farben. Schon rein optisch ein weiterer Widerspruch. Und damit zurück zu jenen drei Zitaten.

„Mühsam ist es, etwas herzustellen, was mühelos aussieht“ - Mana Binz, künstlerisch „erwachsen“ geworden in den antiautoritären und antireligiösen 70er Jahren formuliert hier kurz und prägnant eine menschliche Grunderfahrung, die beinah alle Religionen gemeinsam haben. Allerdings brauchen Christentum und Judentum dafür ein ganzes Buch, um zu erklären, wie steinig der Weg zum Paradies ist. Und der Islam lässt seine größten Künstler gar erblinden, wenn sie endlich den Weg zur Erkenntnis hinter sich haben.

Letzteres führt uns aber auch gleich zum 2. Zitat. „Ich glaube daran, dass die Schöpfung niemals beendet ist“ - Ist der Künstler wirklich „Schöpfer“? Wenn dem so ist, warum kann er seinen Geschöpfen keinen Atem geben,fragt der Islam. Ist es nicht viel mehr so, dass alles immer schon da war, geschöpft war - diese Ansicht vertrat übrigens auch schon der Hlg. Augustinus - und der Künstler dank seiner Vorstellungskraft nur in der Lage ist, das Unsichtbare für uns normale Sterbliche sichtbar zu machen?

In diesem Sinne wäre der Künstler so etwas wie ein Bote. Oder grch. „angelos“, also ein Engel. Und damit wären wir beim Thema unserer Ausstellung. (Auf das 3. Zitat komme ich gleich noch) Engel - Falter - Flügelwesen. Letzteres nehme ich einmal als Überbegriff. Engel und Falter haben wir ja hier überall um uns herum.

Was sind eigentlich Engel? Nun, bei den Persern persönliche Schutzgeister, bei den Ägyptern Todesboten, bei den Römern Seelenbegleiter usw. usw. Eines haben Engel jedoch gemeinsam: Sie besitzen lediglich einen geistigen, so genannten Astralleib, der in der Geschichte immer wieder mit den sich selbst verzehrenden Feuer in Verbindung gebracht wird. Und damit sind wir wieder bei Mana Binz. Nicht nur, dass ihre Kunstwerke in 900° heißen Öfen entstehen, sondern wir sind beim Thema „Vergänglichkeit“ - und damit übrigens auch wieder im Barock.

„Große Momente sind groß, weil sie kurz sind!“, dieses 3. Zitat belegt Mana Binz’ Interesse daran, das Vergängliche festzuhalten, Vergängliches für uns sichtbar zu machen. Das war bereits im „Artecelli-Projekt“ der Fall. Dort hatte sie uns aufgefordert, ihr in schweren Stahlkästen das vielleicht Wertvollste, aber auch am schwersten Festzuhaltende, was wir besitzen, anzuvertrauen: Unsere Erinnerung.

Und jetzt geht sie quasi den umgekehrten Weg. Sie führt uns Engel, Falter und Flügelwesen vor, lässt uns an deren Erscheinung teilhaben. Doch sehen sie wirklich so aus? Im dem Moment, in dem wir sie betrachten, sind sie ja schon Erinnerung, Erinnerung an das gerade Gesehene, aber auch an unsere eigene Vorstellungen davon.

Und deshalb, so sagt der Islam, braucht wahre Erkenntnis kein Augenlicht mehr.Wir etwas irdischere Besucher einer Ausstellung dagegen dürfen uns ganz einfach an den hier ausgestellten Kunstwerken erfreuen und an dem sie umgebenden Ambiente des Schmetterlingsgartens. Wir können Material, Farben und Formen bewundern, aber das ist wieder nur eine - und zwar die sichtbare Seite der Medaille. Drehen Sie sie im Geiste um! Sehen sie das, was Künstler - die Boten - uns zeigen wollen. Hinter dem Gesehenen liegt ein Sinn, ein „concetto“, wie man im Barock gesagt hätte.

Darauf deuten bereits zahlreiche Titel der Objekte: „Les Anges Noire“, „Die schwarzen Engel“ oder „Engelskasten“? Wie entstehen Engel eigentlich? Vielleicht auch durch Verpuppung? Und waren sie dann vorher etwa auch Raupen? Eine zugegebenerweise etwas merkwürdige Vorstellung. Einfacher wird’s vielleicht bei „Der Kokon bricht auf“ oder „Puppenwiege“. Sie werden sagen: „Aha, da geht’s um Schmetterlinge. Logisch, hier an diesem Ort!“ Also verfolgen wir einmal den künstlerischen Weg der Schmetterlinge. In der christlichen Kunst lassen sie sich nur selten blicken, woran immer das liegen mag. Die wohl gelehrteste Abhandlung über sie stammt - wiedereinmal - aus dem Spätbarock von Gotthold Ephraim Lessing. In seiner Untersuchung „Wie die alten den Tod gebildet“ sagt Lessing: „Wer weiß nicht, dass der Schmetterling das Bild der Seele, und besonders der vom Leib geschiedenen Seele, vorstellt?“ Der Schmetterling also als Seelenbegleiter und seine Flügel als Bild der Auferstehung. Hier schließt sich der Kreis und Engel und Schmetterlinge übernehmen ähnliche Aufgaben, die mit der Vergänglichkeit der Dinge zu tun haben.

Für diese Vergänglichkeit steht hier in Sayn Mana Binz’ „Pfad der Metamorphosen“: „Metamorphosen“ war aber auch der Titel eines Buches des antiken, römischen Schriftstellers Ovid. Darin beschrieben werden vor allem die Liebschaften der Götter, die sich in alle möglichen Gestalten verwandeln, nur um ihrer Liebsten / ihrem Liebsten nahe sein zu können. Wer von uns heute würde sich das nicht manchmal wünschen?

Und nun, damit komme ich zum Schluss, die Beantwortung, warum Mana Binz eine im besten Sinne „barocke“ Künstlerin ist. Nicht nur, weil der Barock das Zeitalter der großen Metamorphosen ist. Es ist ihre Doppeldeutigkeit in der Darstellung des Unsichtbaren. Sie macht uns das Vergängliche greifbar: Engel aus Glas, im Feuer entstanden. Schwer, mit Metallrahmen und -stützen an die Erde gebunden und gleichzeitig zerbrechlich, transparent und vergänglich. Und dies in einem Garten der Schmetterlinge. Deren Schönheit das Flirrende an ihnen ist, ihre Farben, ihre Pracht - und das alles, obwohl sie nur so kurz leben.

Und das eben ist barock: Die Schönheit und Pracht unserer Welt ist vergänglich.
„Große Momente sind groß, weil sie kurz sind!“
In diesem Sinne: schauen Sie sich Engel und Falter gut an. Vielleicht sehen Sie morgen schon ganz anders aus!
Herzlichen Dank!

Dieter Marcos / KO / 01.03.2009

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