WELTEN IM WEIN

Das Projekt

KUNST- UND KULTURPROJEKT 2008 - 2014

Im Jahre 2008 habe ich das Projekt WELTEN IM WEIN begonnen. Neben meinem Atelier in Brüssel hatte ich gerade meine Glaswerkstatt und mein Atelier in Lieser an der Mosel ausgebaut. Hier waren nun Raum und technische Voraussetzungen für größere Kunstprojekte optimal geschaffen.

Bereits seit 1970 interessiere ich mich für das Material Glas in der Kunst. Damals hatte ich erste Berührungen mit der Studioglasbewegung. Die Begegnung mit Erwin Eisch und Harvey K. Littleton zeigten mir Möglichkeiten, Glas als künstlerisches Material ohne dazwischen geschaltete Glaswerkstätten selbst zu entdecken.

Es dauerte bis 2003, dass ich meine ersten eigenen Glasschmelzöfen für das Atelier an der Mosel erwarb. Hier hatte ich endlich die Räumlichkeiten für das ganze technische Equipment. In einer Weinregion wie der Mosel sind die Menschen, auch wenn sie einem bäuerlichen Beruf nachgehen und die Strukturen hier provinziell sind, doch inspiriert vom Kulturprodukt Wein, vom Tourismus, von den Veränderungen und den neuen Herausforderungen durch globale Märkte. Nachdem ich selbst lange Zeit in der multikulturellen Metropole Brüssel gelebt und gearbeitet habe, ist nun der Bereich hier an der Mosel der Raum, in dem ich überwiegend lebe und arbeite.

Provinz und Metropole unterscheiden sich heute weniger als in der Vergangenheit. Alle Medien sind heute überall in gleicher Weise verfügbar. Da sie unser Leben immer mehr prägen und sich hierdurch die Kommunikationsstrukturen sowie die Informationswelt komplett verändern, gleichen sich die Lebensverhältnisse an. Doch andererseits kann die Schönheit der Landschaft hier die Enge des Tals sehr oft nicht wettmachen. Für Kultur braucht man an der Mosel einen beharrlichen und langen Atem. Da hilft der Wein mentale Hürden und Ressentiments zu überwinden und gnädiger im Urteil zu werden: Die Umsetzung kreativer Gedanken in Kunst erfordert Kontemplation, intellektuelle Durchdringung einer Idee, mentale Kraft, Beharrlichkeit und letztendlich Einsamkeit. Selbstredend benötige ich als Künstler, der in der Provinz lebt und arbeitet, den Atem der Welt, um mich neu zu positionieren und zu messen. Ja - Ich brauche die pulsierenden Anregungen aus vielen Städten dieser Welt. In Brüssel habe ich mich oft nach Abgeschiedenheit und Ländlichkeit gesehnt, um meine Ideen ausreifen zu lassen. Inzwischen kann ich in meinem Moselatelier gezielt die Welt zulassen und mich auch in die Einsamkeit zurückziehen.

In dieser durch den Weinanbau geprägten Region gibt es viele Kunstschaffende, die sich mit Kunst für Weinprobierstuben, für Weinetiketten, also mit dem gesamten folkloristischen Überbau zum Thema Trauben und Wein beschäftigen. Das ist nicht mein Ding und hat mich eher davon abgehalten, dem Wein und der Rebe Augenmerk in meinen künstlerischen Auseinandersetzungen zu schenken. 2007 war Luxemburg und die Großregion SaarLorLux, das angrenzende Belgien und Rheinland-Pfalz die Kulturhauptstadt Europas. Ich selbst war im Kulturhauptstadtjahr für Luxemburg mit meiner interaktiven Sozialskulptur ARTECELLI auf Reisen gegangen, um die Erinnerung der Menschen in der Großregion untereinander zu vernetzen. Zunehmend wurde mir klar, wie sehr der Wein und auch die Glasherstellung die Menschen in dieser Großregion über Grenzen hinweg und über Jahrhunderte hindurch verbinden.

Es gibt unzählige Bücher über Wein und Kultur. Mir fiel ein Ausstellungskatalog in die Hände: Das „Mysterium Wein“, wie 1996 das „Historische Museum der Pfalz“ in Speyer eine Ausstellung betitelte, mit dem Untertitel „Die Götter, der Wein und die Kunst“. Dies machte deutlich, wie facettenreich das Kultgetränk Wein ist. Vor diesem Hintergrund begann ich 2008 das Projekt “Welten im Wein“ zu konzipieren.

Dieses Projekt und das entstandene Werk ist das erste und bislang einzige Kunstwerk dieser Art. Es ist aus dem Material Glas und daher durch eine lichtwechselnde Wirkung geprägt. Ich zeige in hochformatigen Bildern die imaginative, lustvolle, visionäre bis halluzinatorische Wirkung des Weins in von oben nach unten durchgeschnittenen Flaschen und beleuchte die Bedeutung von Wein in sich wandelnden Kulturen und Religionen. Indem ich bildhaft die Flasche als Behältnis zerstöre, kann sie ihren Inhalt nicht halten. Der Wein ergießt sich in die Welt und zugleich kommt die Welt in die Flasche. Die halbe Flasche, oft für kostbare Spezialitäten verwendet, wird so in einem anderen Bedeutungskontext gestellt. Der Betrachter wird eingeladen, sich dem edlen Getränk in seinen ganzen Facetten intellektuell und sinnlich anzunähern, sich selbst und den eigenen Umgang mit dem Genussmittel Wein zu reflektieren.

Dieses Werk ist auf insgesamt 77 in Glas eingeschmolzene Bilder (Überfangglas) projektiert, also 38 Paare, die optisch wieder zu einer „fast“ intakten Weinflasche verschmelzen und einer Einzelstele. Den Werkstoff Glas habe ich in Assoziation zur Weinflasche gewählt. Über Transparenz, opaline und opake Glasfarben will ich das Auge des Betrachters anregen. Die künstlerische Gestaltung einer Stele ist eine uralte Ausdrucksform in vielen Kulturen, über Hinweisschilder bis zu Grabmälern. Die Stele ist der Übergang zwischen Tafelbild und dreidimensionalen Skulptur. Mit dem Werk will ich außerdem die Möglichkeiten des Materials Glas zusammen mit Malerei verdeutlichen. Ich selbst sehe mich nicht als Glaskünstlerin. Mir geht es darum, dass dieses Material, das Glas, die Anerkennung als künstlerisches Material findet, wo es zur künstlerischen Aussage passt. So sehe ich das generell bei jedem Material: ALLES ist Kunstmaterial wenn es die künstlerische Aussage unterstützt.

Das Projekt WELTEN IM WEIN hat inzwischen internationale Aufmerksamkeit gefunden. Die Planung sieht die Fertigstellung des Gesamtprojektes für das Frühjahr 2014 vor. Ich habe soeben das Stelenpaar 71/72 dem Ofen entnommen. Noch zwei Stelenpaare und eine Einzelstele – voraussichtlich wird das Projekt Ende 2013 fertig. Dann muss das Werk in die Welt. Inzwischen herrscht reges Treiben im Atelier. Die Entstehungsgeschichte wird redigiert und die entstandenen Stelen werden fotografiert. So sieht es derzeit im Atelier aus: „Kreatives Chaos“.

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Trilogie WORLD-WINE-WINNING (Mai 2011)

Mana Binz, 2011, 6 x 190cm x 33 cm, Mixed Media mit eingearbeitetem, gemahlenem Glas. Beitrag zur Ausstellung "Mosel! Wine & Art", Castle Gallery, Seoul, Südkorea, 17. Mai - 29. Mai 2011.

Mana Binz: „Das Besondere an dieser Trilogie ist es, dass sie - wie manchmal ein guter Wein – Freiräume lässt, befreiend wirkt, Freiheit vermehrt…
Sowohl “» Bein’ Green“, “Bein’ Red“ und auch “Wine Fusion“ können einzeln oder als Paare getrennt betrachtet werden oder sich gegenseitig „umarmen“.

Für die Trilogie geschaffen, lassen sie es dennoch zu, auch in der Trilogie frei arrangiert zu werden. Die Verbindung, die Rot und Weißweine zu jedem Ereignis und Grenzen überschreitend zu schaffen vermögen, kann durch die unterschiedliche Positionierung von “Wine Fusion“ in der Trilogie ausgedrückt werden.

Damit setzt dieses Werk meinem generellen künstlerischen Leitgedanken fort, stets das Positive von Bewegung und Veränderung auszudrücken und zu verfolgen. Ich bin froh, dass hier mal am Tafelbild zu zeigen, was ja tendenziell eher statisch ist. Ich persönlich bevorzuge einen Bildaufbau in der Trilogie, der die Klammerfunktion von “Wine Fusion“ durch Positionierung dieses Bildpaares außen links und außen rechts betont.

Weitere Informationen - WORLD-WINE-WINNING

 MOSEL! Wine & Art Seoul - 05.06.2011

Glasstelen aus WELTEN IM WEIN

Bis dato ist das Werk bereits auf 40 Stelen herangewachsen. Die ersten vier Bildfindungen wurden im September 2008 in Bernkastel-Kues gezeigt. 6 Stelen dann im März und April im Garten der Schmetterlinge der Fürstenfamilie zu Sayn-Wittgenstein-Sayn in Bendorf/Sayn. Im Mai 2009 waren 12 Stelen im Relais & Châteaux Weinromantikhotel Richtershof in Mülheim zu sehen. 8 neue Bildfindungen wurden im Juni 2009 im Hotel Keßler - Meyer anlässlich der Benefizveranstaltung zu Gunsten der Roswitha-Beck-Stiftung vorgestellt. 18 Bildfindungen dann im Mai 2010 anläßlich des Kunst- und Kulturprojektes RITUELLES ESSEN – LEBEN IM FLUSS im Paulushof in Lieser und vom 26.09. – 04.12.2010 waren 40 Glasstelen in der Akademie Kues und im Weinkulturellen Zentrum im Geiste des Cusanus in einer Gemeinschaftsausstellung der verschiedenen sozialen Träger ausgestellt. Vom 12.03.2011 – 19.03.2010 waren die neuesten Stelen in der Goldschmiede Alius in Köln-Rodenkirchen zu sehen. So konnte sich das Projekt in Interaktion zwischen den Betrachtern und der Künstlerin weiter entwickeln.

In der retrospektiven Ausstellung HIDDEN GARDENS – MANA BINZ werden vom 18. September bis 06. Dezember 2016 an der Mosel in Deutschland an sieben Ausstellungsorten in Bernkastel-Kues viele geheime und verborgene Gärten der großen Gartenliebhaberin Mana Binz zu entdecken sein, auch WELTEN IM WEIN, wie ihr janusköpfiges Selbstportrait und ihr LAST SUPPER. Dieses Stelenpaar Nr. 78 und 79 aus den WELTEN IM WEIN wirft die Frage auf, wer entscheidet darüber, wer im System ist und wer außerhalb? Hierzu hat die Künstlerin verschiedene Gläser innerhalb und außerhalb der geteilten Flasche gelegt. Boote kentern und nur eine einzige kleine menschliche Figur fällt außerhalb jeder trennenden Systeme in den Garten Eden.

Das Zwischenziel - 2010

Ich mache mir Gedanken zu diesen Etappenziel: Wohl nicht von ungefähr habe ich die Zahl 40 gewählt. Und es ist wohl auch kein Zufall, dass dieses Paar „Berauschte Verwirrungen“ heißt. Die Zahl 40 entspricht in etwa der Vollendung einer Generation und steht in der Bibel als Symbol für Prüfung, Bewährung, Weiterentwicklung, auch für Tod. So dauerte die Sintflut 40 Tage, 40 Tage wurde Jesus vom Teufel versucht, 40 Tage dauerte der israelitische Auszug aus Ägypten usw. 40 ist eine bedeutende Zahl. Die Zahl erster Vollendung.

Und mir wird soeben klar, dass die Vision der 77 eine ganz andere Bedeutung hat. Biblisch 11 x 7, aber als 77 kaum in Erscheinung getreten. Zudem passt die ungerade Zahl so gar nicht in die Philosophie des Projektes WELTEN IM WEIN, da die Glasstelen bis dato paarweise aufgebaut sind. So ist 77 = 76 plus 1, was dann für den Maler ist, der sich bei größeren Werken gerne irgendwo in den Bildwelten versteckt.In der babylonischen Zahlensymbolik ist 70 die Zahl der Vollendung. Also wäre 70 logisch und so wundert es mich nicht mehr, dass ursprünglich immer diese 70 als angestrebtes Projektziel durch meinen Kopf geisterte. Doch Wein und Logik?

Und irgendwie wäre dies auch zu glatt, zu einfach, zu durchsichtig. Daher 77 – denn 77 das sind 70 + 7 oder 11 x 7. Wobei ich mich in aller Unvollkommenheit um die 11 jetzt nicht bemühe…7 – das ist die Zahl der Vollkommenheit und Vollständigkeit nach der Weisheit Gottes. Die Schöpfungswoche endet mit dem siebten Tag. Aber es gibt auch die sieben Todsünden…

Und so sagen mir die Zahlen 7, 40, 70, 77 – alles bleibt im Fluss. Es gibt keinen vollendeten Kreislauf. Nur Symbole von Vollendung. Es gibt keine Vollkommenheit. Nicht im Leben, nicht im Tod und schon gar nicht in der Kunst. An Nichts festhalten: Vollkommenheit würde satt und träge machen. Oder eitel und selbstgefällig. Oder Tod im Leben und rasch wären wir dann auch bei den Todsünden. Wer sich ausruhen will auf Etappenzielen, der sollte nicht Künstler werden…

Also: Ich arbeite weiter an den WELTEN IM WEIN, meinem künstlerischen Beitrag für die Weinkultur. Ich grüße alle Freunde meiner Kunst, die Weinfreunde und Genießer mit einem Sonnenstrahl aus Schöpfungsgeist und Liebe! Ich zeige Euch bald die “Berauschten Verwirrungen“. Hier liegen sie im Ofen um gebrannt zu werden…

Ausstellung Bernkastel-Kues - 2010

Die Ausstellung findet zur gleichen Zeit statt:

Akademie Kues
Stiftsweg 1
54470 Bernkastel-Kues
Telefon: 06531 / 96 95 0
Telefax: 06531 / 96 95 95

www.akademie-kues.de

Weinkulturellen Zentrum Bernkastel-Kues
Weinmuseum und Vinothek
Cusanusstr. 2
54470 Bernkastel-Kues
www.moselweinmuseum.de


Eröffnungsrede zur Ausstellung

Eva-Maria Reuther - Kulturjournalistin

„Wer aus diesem Becher trinkt, den wird sogleich Sehnsucht erfassen der schön bekränzten Aphrodite“

heißt es auf dem berühmten Nestorbecher aus Ischia. Der kostbare Fund stammt aus dem 8. Jahrhundert vor Chr. Die Inschrift darauf istwohl die älteste schriftliche Aussage zur Wirkung des Weins im Abendland. Gut 2000 Jahre später wird Mephisto in der Hexenküche dem unzufriedenen Faust versprechen: „ Du siehst mit diesem Trunk im Leibe, bald Helenen in jedem Weibe“. Wir wissen nicht, was der Teufel und die Hexe dem grüblerischen Gelehrten kredenzt haben, ich vermute: es war ein Glas Moselwein.

Meine Damen und Herren, die Allianz zwischen Menschen und Wein ist alt und dauerhaft, genauso wie die Erwartungen an ihn. Die Wirkungs und Rezeptionsgeschichte des Weins im Spiegel der Schönen Künste darzustellen, ergäbe eine eigene Vortragsreihe. Wir konzentrieren uns heute auf Mana Binz’s Geschichten davon, auf ihre Glasbilder der „Welten im Wein“.

Ganz allgemein gilt: keine Kultur will offensichtlich auf den Wein und seine Wirkung verzichten. und das aus vielfältigen Gründen. Nicht nur, dass der Wein unsere Mahlzeiten veredelt. Angemessen genossen, dient er bekanntlich der Gesundheit. Im Mittelalter wurde sogar häufig aus hygienischen Gründen das alkoholische Getränk dem zweifelhaften, weil verschmutzten Wasser vorgezogen. Auch die zeitgenössische Kosmetik hat den Rebensaft als Jungbrunnen- als Anti-Aging Mittel wie es neudeutsch heißt - wieder entdeckt. Wenn das nicht wirkt, so bleibt der Wein dem unaufhaltsamen Alter doch wenigstens als Trost. Der wichtigste Grund, warum Kultur und Wein so eng zusammenhängen, scheint freilich ein anderer.

Im Wein liegt zwar nicht unbedingt Wahrheit, wie es der Volksmund vermutet. Gleichwohl vermag der Wein unserem Leben eine neue Dimension zu geben. Man muss nicht unbedingt soziologische Studien über das Glück des Rausches etwa im Zusammenhang mit Volksfesten bemühen. Jeder, der schon mal einen Abend weinselig in fröhlicher Runde verbracht hat, kennt diese andere neue Dimension. Wie schwerelos fühlte man sich da mit Hilfe des Weins, entrückt der grauen Tristesse alltäglicher Zwänge. Der Wein öffnet uns dann zumindest vorübergehend eine neue Welt der Heiterkeit und Leichtigkeit.

Seinem Ruf wie seiner Fähigkeit, uns in eine andere Welt zu versetzen, verdankt der Wein auch seit urewigen Zeiten seinem Einsatz im Kult und in der Liturgie unserer christlichen Religion. Dem Wein wird darin mystische Kraft zugesprochen. Nicht ohne Grund verwandelt Jesus bei der Hochzeit von Canaa Wasser in Wein und nicht Bier oder Likör. Im Messopfer wird Wein zum Blut Christi. Der Wein wird zum Mittler zwischen Gott und Mensch zwischen Diesseits und Jenseits.

Freilich: Nicht immer ist die neue Dimension, jene neue Welt, die wir durch den Wein gewinnen, eine freundliche, der Rausch nicht immer bekömmlich. Der Wein verwirrt unsere Sinne, warnt schon die Antike. Was die vom Wein gelösten Zungen von sich geben, ist nicht immer hörenswert. Schon der griechische Dichter Anakreon erkennt weise: „Ich bin betrunken, lasst mich nach Hause gehen“. In diesem Sinn liegt also doch Wahrheit im Wein, nämlich die eigene, die das Übermaß an Wein zutage fördert.

Ständig im Übermaß genossen, als selbst gewähltes Exil und Fluchtort vor der Welt, wirkt der Wein sogar wie eine gefährliche Droge. Statt zu beflügeln schafft er mit zerstörerischer Kraft in uns eine dämonische Gegenwelt des Wahns, eine Vorhölle seelischer und geistiger Nacht. Übrigens haben sich Künstler zu aller Zeit weit mehr mit dieser anderen unheilvollen Welt beschäftigt, als mit der des fröhlichen Zechers. Was Wunder: schließlich sind unsere künstlichen Paradiese mit ihren Blumen des Bösen weit spannender, als die wohl temperierte Wirklichkeit unserer Normalität.

Mana Binz setzt sich in ihren hier gezeigten Glasstelen mit allen diesen Welten auseinander, die der Wein zu erzeugen vermag. Es geht – wie bereits die Titel der Stelen ankündigen- um Lebenslust, Trunkenheit und Wahn, um Satyrn und andere Weingötter, um Liebesfrüchte und Gewaltphantasien und vieles mehr.

Wer die Künstlerin kennt, weiß, wie eng sie selbst der Weinkultur verbunden ist. Nicht nur, dass sie einem Weinorden angehört. Im Weinort Lieser nebenan ist sie geboren, dorthin ist sie auch vor Jahren zurückgekehrt, um sich im elterlichen Anwesen einen eigenen Kunstort zu schaffen. Auch das fing übrigens mit dem Wein an. Ich erinnere mich noch an die ersten Ausstellungen im ehemaligen Kelterhaus. Heute ist der stimmungsvolle Kunstraum von ehedem Teil eines ganzen phantasievollen Kunst Ensembles mit Namen Paulushof. Wenn Mana Binz nicht in Lieser ist, so lebt sie in Brüssel. Wie jedermann weiß, ist auch die belgische Hauptstadt – das rauschende Brüssel wie Jacques Brel einmal schwärmte- eine Stadt, die gleichermaßen dem guten Essen wie dem Wein zugetan ist, eine Stadt des Genusses und der Sinnenfreude. Und auch da sind wir wieder ganz bei Mana Binz.

Mehr noch: Mana Binz ist eine Künstlerin von enormer schöpferischer Kraft. Ihre Einfälle scheinen unendlich, so wie ihre Energie. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen Sie Tage und Nächte über ihre Wandteppiche gebeugt bis zur Erschöpfung arbeitete und malte. Sich bis zur Erschöpfung verausgaben, das tut sie bis heute. Und mit dieser künstlerischen Besessenheit sind auch die hier gezeigten 40 Glasbilder zum Thema Wein entstanden. Ja, man kann mit Fug und Recht von Besessenheit sprechen. Die Künstlerin Mana Binz arbeitet nicht nur, es arbeitet in ihr. Tief aus ihrem Innern, aus ihrer Gedanken- und Seelenwelt schafft sie. Ein gutes künstlerisches Werk entstehe nur aus harter Arbeit hat Friedrich Nietzsche philosophisch entschieden. Mana Binz ist eine solche harte Arbeiterin. Und damit meine ich neben dem Körpereinsatz gleichermaßen die Arbeit des Gefühls wie des Geistes als Grundlage ihrer schöpferischen Kraft.

Ihre hier gezeigte Werkgruppe hochformatiger Bilder aus Glas hat Mana Binz 2008 begonnen. Wie bereits erwähnt, beschäftigt sie sich in diesen Stelen mit der förderlichen wie zerstörerischen Wirkung des Weins auf Bewusstsein und Phantasie. Als Sinnbild wählt die Künstlerin das Bild der durchgeschnittenen Flasche. „Der Inhalt der Flasche ergießt sich so in die Welt und zugleich kommt die Welt in die Flasche.“, erläutert Mana Binz ihre Bildidee. Natürlich kann man auch in den schmalen hohen Formaten einen Hinweis auf die Flaschenform sehen. Der Werkstoff Glas ist nicht nur ein bevorzugtes Material der Künstlerin, er hat auch eine enge Verbindung zum Thema. Nicht nur, dass Wein in gläserne Flaschen abgefüllt und in Gläsern kredenzt wird. Im Glas vereinen sich auch die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Glas ist nach Ansicht von Mana Binz ein Material, das – selbst im Fluss und in ständig wechselnder Farbe und Gestalt- wie kaum ein anderes die Verwandlung des Rebensaftes in Wein und seine Veränderung über die Jahre zu versinnbildlichen vermag.

Mana Binz Glasstelen stehen im engen Zusammenhang mit ihren –eben bereits angesprochenen – bemalten großformatigen Wandteppichen. Statt der undurchsichtigen beweglichen Stofffläche wählt sie diesmal in Platten gegossenes, transparentes Glas als Bildträger und Bilduntergrund. Bevor der eigentliche Malprozess beginnt, fertigt die Künstlerin als Umrisszeichnungen Bleistiftskizzen an, die an Entwürfe für Glasfenster erinnern. Sie werden dem späteren Glasbild zugrunde gelegt. Schließlich beginnt das Malen. Dazu trägt die Künstlerin auf den glatten Glasgrund mit Farbpigmenten eingefärbtes Glaspulver auf, das sie vorher mit Leim zu einer gut haftenden Masseverrührt hat. Das Auftragen ist ein schwieriger, langwieriger Prozess. Er geschieht Farbpunkt für Farbpunkt, bis am Ende Linien, Formen, Farbflächen und damit Bildzusammenhänge entstehen. Die bemalten Platten werden mit einer weiteren Glasplatte abgedeckt und schließlich gebrannt. Erst beim Brennen erreichen die Farben ihre gewünschte endgültige Leuchtkraft. Entstehende Luftblasen und Veränderungen im Farbverlauf bezieht Mana Binz ganz bewusst als Teil des künstlerischen Prozesses mit in ihre Bildidee und ihre Gestaltung ein. Auf diese Weise entsteht im Feuer ein neuer in sich geschlossener, gleichwohl Lichtdurchlässiger und Licht filternder Kosmos mit spannendem Innenleben.

Wer mit Mana Binz Werk vertraut ist, wird sich an ihre großformatigen bemalten Wandteppiche erinnern und unschwer erkennen: Die Bildersprache der Stelen und der Wandteppiche ist dieselbe. Es ist das vertraute künstlerische Vokabular der Teppiche, mit dem Mana Binz in ihren Stelen neue Bildgedanken und -zusammenhänge formuliert. Der enge Zusammenhang zwischen den textilen Arbeiten und diesen Glasstelen hat freilich nichts mit künstlerischem Stillstand zu tun. Im Gegenteil: Mana Binz Bilder sind keine Zufallstreffer, sie sind das Ergebnis einer langen Entwicklung in die Ausdrucksmöglichkeiten ausgelotet und vertieft wurden. Heute hat Mana Binz ihre Bildsprache gefunden.

Wie ihre Wandteppiche ist auch Mana Binz Glasmalerei bestimmt von der schwungvollen Linie, von der Lust an der Arabeske, von Farbsinnlichkeit und Farbrausch. Sie sind bestimmt von der Freude am Erzählen und Fabulieren, genauso wie von Mana Binz Lust zur Kaprice und ihrem Sinn für Witz. Ganz entschieden geprägt ist das Schaffen der Künstlerin zu dem – und dem entspringen auch diese Glasarbeiten von ihrem Interesse am Menschen. Dessen Seinsbedingungen, seine „condition humaine“ reflektiert die Künstlerin vielfältig quer durch die Kulturen.

Dabei entsteht freilich kein Bilderlexikon zum Thema Mensch sein, sondern ein neues kleines Universum aus Wirklichkeit und Fiktion. Es ist voller Botschaften, Sinnbilder und Querverweise. Sie finden Hinweise auf das Christentum, auf die Mythologie, Hinweise auf die Eindrücke einer Indienreise. Und natürlich die Liebe: jung und frisch ist sie wie der junge Wein oder glühend und schwerblütig. Wo Leben ist, ist auch der Tod stets gegenwärtig. Bei Mana Binz ist selbst der Knochenmann weinselig, ein unübersehbarer Verweis auf die mittelalterliche Tradition des Totentanzes. Mana Binz Bilderwelt ist im Grunde eine gegenständliche gut zu entziffernde Bilderwelt. Aber ich denke, man muss diese Bilderwelt nicht unbedingt Buchstaben für Buchstaben lesen. Man sollte sich ihr ganz spontan überlassen – wie dem Wein so zusagen - ihrer Farbenpracht, ihrer Dynamik, und der Leidenschaft für die Kunst, von der sie künden. Diese Leidenschaft wird allerdings von der klaren Form der Stelen in Grenzen gehalten. Mana Binz Malerei ist an sich flächig. Im Verbund mit dem Glas wird sie jedoch zum in sich geschlossenen, dichten Bildraum. In diesem Sinn sind Mana Binz Glasstelen Grenzgänger zwischen Malerei und Objektkunst. Hier in der Akademie stehen sie ideal vor Außenfenstern wo sie mit dem Licht eine wunderbare Symbiose von Natur und Kunst eingehen. Mana Binz Glasstelen leben mit dem Licht und durch das Licht, sie selbst kultivieren das Licht durch ihre Farben. Ihr Rot, Blau oder Gelb veredelt das Licht, erfüllt es mit Symbolik und macht es im Wortsinn sinnträchtig. Nebenan im Weinmuseum stehen die Stelen eher wie eine lichte Wand, die dem hoch vereinzelten Raum Halt gibt.

In Mana Binz Glasstelen einen sich die Welt der wahrnehmbaren Wirklichkeit mit der Vorstellungswelt der Künstlerin zu einer vielfarbigen außerordentlich lebendigen Bilderwelt. Die verschafft uns neben jeder Menge Augenlust, neue geistige Einsichten über die alte Spezies Mensch und ihre Welten im Wein. Und wenn sie ganz tief in sie eindringen, werden sie wie bei aller Kunst, das Echo ihrer eigenen Innenwelt darin hören.

Damit diese Welt durch den Wein nicht aus den Fugen gerät, empfehle ich Ihnen zum Schluss noch einmal den antiken griechischen Dichter Anakreon:

Auf, mein Junge, eine Schale bring uns her, um vorzutrinken. Einen tiefen Zug. Zehn Teile Wassers und fünf Teile Weines Fülle ein, damit ich weiter ohne Rohheit Bakchos diene. Nein, wir wollen nicht so weiter lärmend bei dem Wein und johlend Wie die Skythen uns benehmen, sondern unter schönen Liedern Wollen wir gemächlich trinken.

Eva-Maria Reuther

Weitere Informationen zur Ausstellung

 Informationen zur Ausstellung als PDF

 Einladung zur Vernissage

 Programm der Vernissage

Presseberichte

 "Welten im Wein" aus schillerndem Glas (TV vom 14.05.2009)

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