DE PACE FIDEI – CUSANUS 1453

Das Projekt

Die 10 qm große Lichtdecke von Mana Binz wurde im Herbst 2012 fertig gestellt. Sie setzt sich mit dem Werk des Nikolaus Cusanus und dem so notwendigen Frieden zwischen den Religionen auseinander.

Wie entsteht eine solche Bildidee? Wie wurde dieses Projekt realisiert? Gab es Besonderheiten in der Realisierungsphase? Was sind die Gedanken und Assoziationen hinter der Bildidee?

Die Mosel und Cusanus sind eng miteinander verwoben. Cusanus, das ist die Geschichte seiner Geburt am Fluss, eine Geschichte von Bewegung und Veränderung, von persönlicher Entwicklung, von Heimat und vom Weggehen und vom niemals mehr so ganz richtig zuhause ankommen. Wir verbinden mit ihm den forschenden Geist, seine Bibliothek und die segensreiche Cusanusstiftung. Wir bewundern seine Ausdauer und in seiner Leidensgeschichte als Bischof von Brixen auch das Aushalten von Erniedrigungen. Ja – die Lebensgeschichte des großen Religionsphilosophen Cusanus ist eine sehr menschliche Geschichte ist. Und sie ist zugleich die Geschichte eines Menschen der in seiner Zeit bereits sehr bedeutend war und weit über seine Zeit hinaus wirkt.

Es berührt mich tief, dass ich nur 3 km entfernt vom Geburtshaus geboren wurde. Ich wollte deshalb mehr über Cusanus wissen! An einigen Schriften blieb ich hängen. De Beryllo – Über den Beryll, eine Lupe für eine bessere Wahrnehmung im Glauben. Diese Schrift hat die Glaskünstlerin in mir ursprünglich vielleicht nur deshalb fasziniert, weil hier der Beryll als transparenter Halbedelstein als ein Vorläufer der Glaslupe fungiert. Über den Beryll kam ich dann zur Schrift „De Pace Fidei“ - über den Frieden in den Religionen.

Doch es blieb nicht beim einfachen „reinlesen“ in die Cusanus Schriften. Was da vor mir lag, war eine spannende geistige Welt. Was ist das für eine Vision die Cusanus in seiner Schrift „De Pace Fidei“ beschreibt und die mehr als 500 Jahre später noch so revolutionär ist?

Cusanus schrieb dieses Werk unter dem historischen, subjektiven Eindruck des Falls von Konstantinopel 1453 an die Türken. Unter der Führung von Sultan Mohammed II eroberten die Türken am 29. Mai 1453 Konstantinopel und es muss sehr grausam zugegangen sein. Cusanus kannte Konstantinopel gut, da er zuvor in diplomatischer Mission dort gewesen war. Die Nachricht löste einen tiefen Schmerz in ihm aus. Er beschreibt dies im Vorwort zu De Pace Fidei als eine Art göttliche Vision. Seine Hauptthese ist, dass es nur eine einzige wahre Religion auf der Welt gibt. Alle Weltreligionen beruhen gemeinsam auf dieser einen Religion. Cusanus arbeitet daher nicht die Unterschiede zwischen den Religionen heraus, sondern die gemeinsamen Voraussetzungen. Hierzu inszeniert er in „De Pace Fidei“ ein fiktives Gespräch. An diesem Gespräch sind gelehrte Vertreter von 17 verschiedenen Völkern und Religionen beteiligt. Diese werden zuerst von Logos, dem Wort Gottes angesprochen. Dann von Petrus und Paulus, die den Logos vertreten. Die Vertreter der Religionen stehen im Kreis um das Wort Gottes und reinigen in den Diskussionen ihre überkommenen Sichtweisen wie man Spiegel und Brillen reinigt. Dann sind sie offen für die Erkenntnis der wahren Religion und für die Unterschiede in den Riten. Cusanus entwickelt in De Pace Fidei die Vision eines friedvollen, interkulturellen Dialogs der Weltreligionen. In diesem Gespräch sollen diese Vertreter der Völker und Religionen zu einer einzigen Religion in der Verschiedenheit der Riten zurückfinden – religio una in rituum varietate. Religiös motivierte Konflikte werden in der Zukunft so vermieden und nicht mit Waffengewalt gelöst.

Doch was ist eine Vision? Ist das ein Tagtraum? Eine mystisch verklärte Wahrnehmung? In der Wirtschaft und Ökonomie gibt es auch den Begriff der Vision. Hier wird unter diesem Begriff die Sichtbarmachung eines Unternehmenszieles verstanden. Es geht darum, Menschen hinter ein gemeinsames Ziel zu bringen. Deshalb wird das Ziel visualisiert, mit einem Bild sichtbar gemacht.

Wunderschön beschreibt dies Saint Exupéry im „Kleinen Prinzen“, einem Kinderbuch, das oft in der Wirtschaft dann zitiert wird, wenn, etwas bildhaft, treffend und einfach dargestellt werden soll. Im „Le Petit Prince“ läßt Saint Exupéry seinen Helden sinngemäß sagen: Wenn du Menschen dahin bringen willst, dass sie gemeinsam ein Schiff bauen, dann gib ihnen nicht nur das Werkzeug und die Baupläne, sondern erzähle ihnen von der Schönheit des Meeres.

Eine Vision ist also nicht nur die mystische Verklärung der Realität, auch ist sie mehr als ein Tagtraum. Sie entspricht eher dem vielzitierten anderen Satz aus demselben Kinderbuch: Man sieht nur mit dem Herzen gut…

Cusanus hatte die Vision einer Welt, in der Menschen verschiedener Religionen in Frieden miteinander leben können. Cusanus ist das Gemetzel zwischen Menschen leid, die sich im Namen Gottes gegenseitig in den Tod jagen, sich an Geist und Körper im Namen des Schöpfers zerstören, ihre Kultur und auch ihre wirtschaftliche Basis im Namen Gottes ruinieren. Das kann aus seiner Sicht nicht Gottes Wille sein. Und deshalb darf es für ihn auch nicht das Ziel von Religionsgemeinschaften sein. Er sucht daher nach den gemeinsamen Wurzeln der Gottesverehrung, um die Religionen untereinander zu versöhnen. Menschenwürde als Schöpferwille, nicht als falsch verstandene Toleranz oder gar Indifferenz. Basierend auf seiner Leitidee von der Einheit in der Vielfalt soll ein weiser Blick auf die gemeinsamen Wurzeln der Gottesverehrung die Religionen untereinander versöhnen.

Wie entsteht so eine Vision? Ein so utopisch gewagter Gedanke, der seit 1453 immer noch so aktuell wie revolutionär ist? In einer gewissen Überhöhung des Glaubens existiert eine urmenschliche Sehnsucht nach dem göttlichen Zeichen. Visionen erwachsen aus menschlichen Grenzsituationen: Aus Nahtodeserfahrungen, aus intensivem Fasten, aus Schlafmangel. Entbehrung und Anstrengung. Wenig Schlaf, wenn dann noch kriegerische Auseinandersetzungen hinzukommen, dann kann sich Wahrnehmung emotional verdichten.

In solchen emotionalen Extremsituationen erwächst eine Vision aus der Intensität der Bilder, die wir tief im Herzen tragen. Aus unseren Urbildern, die uns bereits über den Lebensweg begleiten und aus den Bildern, die uns in der letzten Zeitspanne vor der Verdichtung der Wahrnehmung berührt haben. Aus diesem Geflecht entsteht ein neues Bild im Innern. Dieses Bild kann die Qualität einer Vision haben.

Also habe ich mich gefragt, was hatte Cusanus intensiv erlebt? Welche Bilder hatte er gesehen? Ich ging im November 2011 auf Spurensuche nach Istanbul, besuchte die Hagia Sophia. Ganz starken Eindruck machten auf mich die gut erhaltenen Seraphine in den Kuppelübergängen, ranghohe Engel, die Gottes Thron bewachen. Diese sechsflügeligen Engelsgestalten sind dort derartig präsent und bereits in so hoher Abstraktion, dass selbst das Gesicht entbehrlich erscheint.

Überall in diesem großartigen Haus der Gottesverehrung sind die gemeinsamen Symbole von Judentum, den christlichen und muslimischen Religionen sichtbar und spürbar. Das muss einen tiefen Eindruck auch auf Cusanus hinterlassen haben!

Hinzu kommt das Licht, das dieses Gotteshaus magisch durchflutet.

Diese Stadt - heute Istanbul - damals Konstantinopel, ist zudem auch deshalb etwas ganz Besonderes, weil sich dort am Bosporus zwei Kontinente berühren. Europa und Asien – hierdurch ist auch die asiatische Kultur sichtbar, was auch heute diese Stadt so faszinierend macht.

Ich stand noch stark unter diesen Eindrücken in den Fußstapfen des Cusanus, als im Dezember 2011 mich die Frage nach einer möglichen künstlerischen Aufgabe „Kunst am Bau“ im Rahmen des Ausbaus der Cusanus Grundschule in Bernkastel-Kues erreichte. Diese Schule liegt auf der Kueser Seite parallel und ganz in der Nähe des Geburtshauses des großen Sohnes dieser Stadt, die ansonsten vom Wein und der Weinkulturlandschaft geprägt ist.

Ich ging also zur Baustelle, ließ das scheinbare Chaos eines Gebäudes in der Entstehung auf mich einwirken. Langsam über das Geburtshaus fuhr ich zurück nach Lieser in meine Werkstatt. Auf dem Schreibtisch lagen noch diverse Schriften des Cusanus.

Ja – es muss die Vision des Cusanus „De Pace Fidei“ visualisiert werden! Das schien mir wie ein Auftrag des Cusanus selbst. Stichwortartig schrieb ich mir alles auf, was ich bereits an Eindrücken in Herz und Hirn hatte.

Über die zunehmende Faszination fiel es auch immer leichter, dem Duktus der älteren Sprache zu folgen.

Doch wie diese utopisch anmutende Idee in ein Bild umsetzen? Bei meinen Besuchen der Baustelle wurde mir zunehmend klar, dass Glasgestaltungen in Türen und Fenstern dem Anspruch an diese Vision nicht gerecht werden können. Hinzu kam, dass bei der Architektur des Gebäudes figurative Andeutungen und schwingende Linien mir untersagt schienen. Die Kunst hätte sich der Architektur unterordnen müssen. Eine reine Abstraktion hielt ich ebenfalls für ungeeignet, weder für das Thema noch für eine Schule. In Gebäuden ist die Decke der einzige Platz für Kunst, der nicht in Konkurrenz zur Architektur steht. Zudem ist die Decke ein wundervoller, oft vergessener Kunstraum.

Noch ein Weiteres schien mir wichtig: Früher ermahnte man die Kinder, nicht ständig in die Luft zu schauen; ich denke an die Geschichte vom Hans-Guck-in-die-Luft. Heute gibt es wissenschaftliche Untersuchungen darüber, dass die kindliche Intelligenz sich zurückentwickelt durch den ständigen Blick nach unten, auf IPhone, Notebook, auf PC und Handy. Es ist mein Anliegen, den Blick der Kinder zu erweitern und zu vermitteln, wie schön es ist zu gestalten, etwas selbst zu produzieren, vielleicht sogar etwas zu erfinden. Der Blickwinkel soll alles erfassen, Oben, Unten, die Seitensicht…

So langsam entwickelte sich eine Bildidee, ein erstes Konzept. Ich entschied mich zur Herstellung eines Prototypen, einer Musterscheibe aus ballwurfsicher laminiertem Glas, denn neben der reinen Bildfindung hatte ich mich um die technischen Anforderungen einer Glasdecke im schulischen Raum zu kümmern. Im schulischen Raum ist in gleichem Maße dem Bewegungsdrang der Kinder wie der geistig-intellektuellen Weiterentwicklung Rechnung zu tragen. Glas muß im Überkopfbereich bei einer Beschädigung für eine genau definierte Zeit - ähnlich wie bei einer Windschutzscheibe im Auto - als Verbundglas zusammenhalten, darf also bei Glasbruch nicht herunterbrechen.

Ich stellte also im März 2012 diesen Prototypen her. So ist die technische Machbarkeit erwiesen, das Gewicht nachvollziehbar und zudem dient die Musterscheibe dem Beleuchtungstest. Nicht zuletzt vermittelt dieser Prototyp auch einen ersten Eindruck der farblichen Wirkung. Auf dieser Basis können dann die Farbentscheidungen für die 10 qm große Lichtdecke getroffen werden.

Danach machte ich mich an die konzeptionelle Ausarbeitung der künstlerischen Idee in einer 1:1 Pastellzeichnung. Meine Gedanken zur Bildidee fasse ich jetzt kurz zusammen:

Die Bildfindung setzt Schwerpunkte auf die Kontinuität von Bewegung und Veränderung. Was spiegelt dies stärker als das Wasser? An einem Fluss, an der Mosel geboren, erreichte die Nachricht vom Fall Konstantinopels an die Muslime Cusanus auf dem offenen Meer. Ich binde daher das wogende Meer in die Bildidee so ein, dass es das Geschehen quasi „einrahmt“.

Vier christliche Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung und Barmherzigkeit unterstützen vergleichbar mit Eckfeilern in den vier Bildecken das Bildkonzept. Dem Cusanuswappensymbol, dem Krebs, verleihe ich schmetterlingsgleiche Flügel. Wasser und Himmel werden so versöhnt und ich ordne ihm die Tugend der Hoffnung zu.

Die Maße und der Bildaufbau erfolgen im goldenen Schnitt. Die Zahl Sieben und die Zahl Drei gliedern die Größenverhältnisse sowie die Symbolsprache. Sieben für die Schöpfungsgeschichte und für Vollendung, Drei für die Trinität Gottes.

Im Kern des Bildes steht die göttliche Kraft die alles erschafft, energetisch alles wieder verwirbelt und in nie stillstehendem göttlichem Schöpfungswillen unendlich weiterwirkt. Diese Unendlichkeit wird durch das Symbol der Spirale dargestellt, eingebettet im Bildzentrum in den Flügelschlag des Seraphim.

So wie am Firmament Sterne und Kometen zusammenwirken, so setzen Bänder und Verbindungslinien neue Zeichen für die Zusammengehörigkeit. Sie verbinden alles und erschaffen so neue Formen. Nur mit dem Herzen sieht man gut! Interessanterweise entstand eine Herzlinie ganz von selbst.

Meine Leitidee ist die: Am Himmel gibt es keine Hierarchien, nur ein Zusammenwirken.

Alle Weltreligionen sollen Platz finden und ich entscheide mich für sieben Repräsentanten, die für alle Weltreligionen stehen. Diese sieben entstammen dem Judentum, dem Christentum, dem Islam, aus Hinduismus und Buddhismus sowie aus den Naturreligionen Afrikas und den Naturreligionen der Indianer, repräsentierend alle anderen Völker. Die Symbolik für jede Religion setze ich kreisend um den Seraphimflügel und die Spirale in das Zentrum des Bildes und des geistigen Geschehens. Auf diese Weise wird die Vision eines Friedens zwischen den Religionen dargestellt.

1453 kämpften die Muslime bereits mit Feuerwaffen, die Christen noch mit Pfeil und Bogen. Die Feuerwaffen stehen gleichsam für die kontinuierliche Bedrohung durch Waffen jeder Art. Gleichzeitig spiegeln sie auch das systemimmanente Ungleichgewicht von Waffensystemen wider. Sie sind so dargestellt, als ob heute Hochhäuser oder Türme von Kernreaktoren durch fanatisches religiös motiviertes Treiben einstürzen. Fanatismus und auf der anderen Seite moderne Waffensysteme lassen die Vision eines friedlichen Miteinanders von Religionen heute nach dem 11. September 2001 und in der jetzigen verwirrten Zeit nötiger denn je erscheinen. Ende März 2012 ist die 1: 1 Entwurfszeichnung fertiggestellt.

Nun ging es an die Realisierung. Die Technik, die ich am besten beherrsche, ist das Überfangglas: Auf einer Trägerglasplatte wird farbiges Glaspulver mit Kleister aufgebracht. Stupfend wird Partikel an Partikel geschoben. Wenn der Kleister getrocknet ist wird diese Platte dann in den Brennofen gelegt. Eine zweite, identisch große Glasplatte wird darauf gelegt. Diese beiden Glasplatten werden in einer komplizierten Brennkurve bei Temperaturen über 800° C zu einer Einheit verschmolzen. Die Malerei befindet sich daher in einer Art Sandwich zwischen zwei Glasplatten. Im Brennprozess entstehen durch die Verbrennung des Kleisters Gase. Die Malerei muss daher so ausgeführt sein, dass diese Gase austreten können, sonst gibt es Blasen im Glas, bis hin zu Explosionen im Ofen. Dies erfordert eine spezielle Maltechnik. Auch ist in diesem Prozess keine Beschleunigung möglich. Das duldet die Brennkurve nicht. Die Malerei und die technische Glasherstellung erfordern also große Geduld.

Sieben von neun Glaselementen entnehme ich nach jeweils etwa einer Woche Malerei pro einzelner Glasplatte und fast einer Woche Ofenbrand in herrlichen lichtvollen Farben dem Brennofen. Fast hätte ich übermütig werden können. So ein easy project! Doch dann: die achte Platte, die linke in der Mitte, die mit drei religiösen Symbolen, macht Trouble. Eine Brandblase genau über dem jüdischen Symbol. Ansonsten ist das Glaselement so perfekt wie seine sieben Vorläufer. Was war da passiert? Nichts war anders gemacht, als bei den ersten gelungenen sieben Elementen! Die Ursache ist nicht auszumachen. War es Physik, Chemie, also reale Gründe? Oder vielleicht doch etwas Metaphysisches, vielleicht sogar ein Zeichen? Stimmt vielleicht doch etwas mit den Symbolen nicht? Sind sie falsch platziert? Man weiß ja nie – ich ändere den Bildaufbau der Symbole, nur so zur Sicherheit…

Eine Woche Malerei und eine Woche Ofenbrand sind verloren. Es hilft nichts – es gilt keine Zeit zu verlieren, durchatmen und dieses Glas neu herstellen. Tatsächlich, mir scheint es hat geholfen, denn knapp zwei Wochen später entnehme ich dem Ofen eine neue brillante Scheibe. Was die Ursache des Problems war, das blieb unklar. Mir schien das Gelingen tatsächlich an der Umstellung der Symbole gelegen zu haben. Doch dann der Schock! Das neunte Glaselement, das parallel an der rechten Seite weitere drei religiöse Symbole behandelt, musste ich dem Ofen mit einer riesigen Verbrennung in der Mitte des islamischen Symbols entnehmen. Ist der Ofen defekt?

Damit ich im Zeitplan bleibe stelle ich mich sofort auf die Neufertigung dieses Glaselements ein. Und so kommt dieses recht zügig in den Brennofen. Jetzt heißt es wieder abwarten. Ich werde gleichermaßen irritiert wie demütig. Dann der dritte Schock. Auch diese neu gefertigte Scheibe hat eine Brandblase, zwar etwas kleiner doch wieder oberhalb des islamischen Symbol.

Allmählich werden wir alle eigen, so eine Art Aberglaube befällt uns. Jammern hilft nicht! Ich muss jetzt schnellstens die Ursachen finden. Doch alle Recherche und der Austausch mit spezialisierten Glasexperten bringen kein Ergebnis. Ein metaphysisches Phänomen will auch ich nicht mehr ganz ausschließen.

Das passierte in den letzten Tagen der Heilig Rock Wallfahrt im Mai 2012 und ich entscheide mich den Trierer Dom zu besuchen und danach weiterzumachen. In der Werkstatt stelle ich nochmals die Symbole um. Wer verträgt sich mit wem am besten, wer am wenigsten. Wohin gehört das christliche Kreuz? Zur Sicherheit legen wir die in Trier bei der Wallfahrt erworbenen Devotionalien auf das Metallgestell des Brennofens. Führe zusammen, was zusammen gehört…

Auch der vierte Brand zeigt eine kleine Brandblase, diesmal über dem christlichen Kreuz. Alles Umstellen der Symbole und auch die Devotionalien nützen anscheinend nichts. Es muss eine logische Erklärung geben!

Meine Gedanken kreisen nur noch um das Problem. Was verursacht ähnliche Probleme in der Glasfertigung? Blasen entstehen in erster Linie, wenn Farben untereinander nicht kompatibel sind, wenn Gas- und Lufteinschlüsse nicht entweichen können, wenn Feuchtigkeit zwischen den Glasplatten verdampft. In diesem Sommer 2012 ist die Luftfeuchtigkeit oft sehr hoch. Ich messe also die Luftfeuchtigkeit in der Werkstatt. Die liegt bei etwa 60%. Zufällig fällt mir ein, dass Katzenstreu chemische Substanzen enthält, die im Granulat Feuchtigkeit binden. Vielleicht macht irgendeines der Glasmehle dies auch?

Trotz des Zeitdrucks entscheide ich mich daher den erneuten Brand dieses Elements erst durchzuführen, wenn die Luftfeuchte im Studio deutlich unter 50% gesunken ist. Inzwischen habe ich eine stoische Gelassenheit entwickelt. Es ist vollkommen selbstverständlich, dass dieses Glaselement wieder neu gemalt und gebrannt wird. Geräte zur Luftentfeuchtung reduzieren die Luftfeuchtigkeit auf 45%. Der Brand kann beginnen! Und ich darf nach einigen Tagen ein absolut perfektes Glas dem Ofen entnehmen.

Hatte ich die Ursache des Problems gefunden? Oder gibt es doch Ursachen, die aus einem anderen Einflussbereich stammen?

War vielleicht doch die demütige Einordnung des christlichen Symbols so nahe am Flügelschlag des indianischen Adlers ausschlaggebend?

Wie auch immer: Erfolg bedeutet einmal mehr aufstehen als hinfallen. Das ganze Werk liegt jetzt komplett fertig gestellt auf dem Boden im Atelier. Das zählt! Jetzt müssen diese acht Elemente, das neunte war zuvor schon als Test laminiert worden, in die Glasfertigung nach Süddeutschland. Dort werden sie laminiert und Verbundglasscheiben aus Sicherheitsglas hergestellt. Ich bin immer noch im Zeitplan. Am 12. Juni 2012 werden von der Glasfirma die Glaselemete abgeholt. Einen Monat später erwarten wir planmäßig acht laminierte Scheiben zurück, die den Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Am 10. Juli 2012 kommen planmäßig die acht Glasscheiben laminiert nach Lieser zurück. Sie waren ohne Schutz offen, je vier rechts und vier links auf einem typischen Glasgestell auf einem Lastwagen transportiert worden. Einmal waren sie bereits im Hunsrück bei einer Tochterfirma mit dem Kran entladen und wieder verladen worden. Jetzt wurden sie wiederum mit dem Kran bei mir in den Hof gestellt. Mir missfällt dieser Transport. Ein so aufwendig hergestelltes künstlerisches Glas wurde wie normale Glasscheiben behandelt, bei denen 30% Bruch von vornherein einkalkuliert wird.

Wir packen also aus: Zunächst die vier Scheiben der linken Seite – jede Scheibe perfekt. Alles ist gut gelaufen! Ich ärgere mich über meine Ängstlichkeit. Dann geht es an das Auspacken der rechten Seite. Sofort stellen wir fest, dass hier die Haltegurte, mit denen dort das Glas verzurrt worden war, extrem fest mit der Ratsche angezogen worden waren. Es war schwer diese Bindung zu öffnen. Doch die erste Glasplatte schien perfekt. Alles schien also gut gelaufen zu sein. Doch dann der Schock! Alle Glaselemente auf dieser Seite, die perfekt die Fabrikation verlassen hatten, waren durch Fehltransport zerstört worden.

Ganz unabhängig davon, dass hier keine Versicherung eingreift, mir war schlagartig klar, dass ich jetzt sofort wieder an die Arbeit muss. Tag und Nacht. Die Elemente müssen wieder hergestellt werden! Sie müssen gemalt werden, das Farbklima muss getroffen werden, alle Anschlüsse der Bildgestaltung müssen stimmen. Das erfordert höchste Konzentration. Danach müssen sie wieder zu Verbundglasscheiben weiter verarbeitet werden.

Mir schien das Ganze jetzt wie eine auferlegte Prüfung. Ob meine Ursachenanalyse für die Fehlbrände richtig war? Ich bete tief, dass mich nicht wieder so ein Ofentrouble erwartet. Alles läuft planmäßig: Nach erfolgreicher Wiederherstellung der vier Glaselemente fertigen wir für die erneute Reise nach Süddeutschland hölzerne Transportkisten an. Ich möchte sichergehen, denn noch so eine böse und unnötige Überraschung würde den Projekterfolg gefährden.

Ich fahre selbst zur Glasfabrik und lasse das Glas während der Verwandlung in Sicherheitsscheiben nicht mehr aus den Augen. Anfang September 2012 ist das Werk wieder vollständig und aus Süddeutschland heil zurück.

Am 11. September 2012 stand dann das Team zur Verfügung und wollte das Werk an der Decke installieren. Doch dies ging mir zu weit: Was für ein Datum! Ich wollte diese Kongruenz im Datum nicht. Also installierten wir das Werk am 13. September 2012. Ist diese gesamte Hintergrundgeschichte nun Zufall? Es war und bleibt ein ganz besonderes Projekt, denn es ist etwas ganz Besonderes eine so große Idee visualisieren zu dürfen.

Während des Herstellungsprozesses gab es immer mal wieder Menschen, die meinten: So eine aufwendige Arbeit für eine Schule in einer Kleinstadt. Doch: Nur einen Ballwurf von dieser Schule entfernt wurde Cusanus geboren! Und könnte nicht auch eins der Kinder, die diese Schule besuchen, das Potential, eine Berufung, einen großen Geist in sich tragen?

Ich bin dankbar, dass ich diese Arbeit für diesen Ort machen durfte.

Es ist ein ehrenvollen Auftrag. Dem großen Sohn von Kues und seiner Vision fühle ich mich nachhaltig verbunden. Es scheint mir, dass Cusanus es gerne sehen würde, wenn wir gerade diese Schrift vom Frieden im Glauben wieder etwas genauer unter die Lupe nehmen. Möge diese Vision des Cusanus neue Strahlkraft in der Welt entfalten. Wer hat an den Fall der Berliner Mauer noch geglaubt, wer mit der Wiedervereinigung Deutschlands gerechnet? Und es wurde doch Realität. Wo kommen wir hin, wenn wir nicht die Vision eines Friedens zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen weiterentwickeln?

Projektupdate 2012

Lichtdeckeninstallation aus gemaltem und überfangenem Glas - 2012

Cusanus hatte 1437/38 Konstantinopel in diplomatischer Mission besucht. Diese Stadt und ihre besondere Lage auf zwei Kontinenten hatten einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht.

1453 löste die Nachricht vom Fall Konstantinopels an die Türken und von den damit einhergegangenen Grausamkeiten ein tiefes Schmerzerlebnis bei Cusanus aus. In dieser Situation erlebt er die Vision einer einzig wahren Religion, die nur durch die Unterschiedlichkeit der Riten getrennt ist - Religio una in rituum varietate. Die Lichtdeckeninstallation zeigt diese Vision des Cusanus, die er im Vorwort zu seinem Werk "De pace fidei" beschreibt.

Maße und Bildaufbau des Kunstwerks sind im goldenen Schnitt angelegt. Die Zahl Sieben und die Zahl Drei gliedern die Größenverhältnisse sowie die Symbolsprache. Sieben für die Schöpfungsgeschichte und für Vollendung, Drei für die Trinität Gottes.

Die Bildidee wird durch das wogende Meer eingerahmt. Die vier christlichen Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung und Barmherzigkeit unterstützen wie Eckfeiler in den vier Bildecken das Bildkonzept. Dem Wappensymbol des Cusanus, dem Krebs, ist die Hoffnung zugeordnet.

1453 kämpften die Muslime bereits mit Feuerwaffen, die Christen noch mit Pfeil und Bogen. Die Feuerwaffen stehen gleichsam für die kontinuierliche Bedrohung durch Waffen jeder Art.

Im Kern des Bildes steht die göttliche Kraft die alles erschafft, energetisch alles wieder verwirbelt und in nie stillstehendem göttlichem Schöpfungswillen unendlich weiterwirkt. Diese Unendlichkeit wird durch das Symbol der Spirale dargestellt, eingebettet im Bildzentrum in den Flügelschlag des Seraphim.

Sieben Religionen stehen stellvertretend für alle Weltreligionen: Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, die Naturreligionen Afrikas und die Naturreligionen der Indianer, repräsentierend alle anderen Völker. Die Symbole für jede Religion kreisen um den Flügel eines Seraphim und um die Spirale im Zentrum des Bildes und des geistigen Geschehens. Auf diese Weise entsteht die Vision eines Friedens zwischen den Religionen.

Die Enthüllung

Am 02. November wurde im Rahmen der feierlichen Einweihung der neuen Räumlichkeiten der Cusanus Grundschule in Bernkastel-Kues die Lichtdeckeninstallation von Mana Binz „Cusanus 1453 – DE PACE FIDEI“ enthüllt.

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